Sonntag, Oktober 23

Eine Fahrt durchs Armenhaus Europas

Ich weiß gar nicht, was mich mehr schmerzt. Meine linke Ellbogensehne von den dauernden Erschütterungen am Lenker bei den langen Fahrten, oder die Armut und die Lebensqualität - da haben wir sie wieder - der Menschen in den ländlichen Gebieten Rumäniens an der Donau zu sehen. Ich bin gespannt, ob und wie sich das möglicherweise noch ändert, wenn ich weiter nach Osten und nördlich ins Landesinnere Richtung Donaudelta komme.

Keiner der 17 Orte, durch die ich heute durchgefahren bin, unterscheidet sich wirklich von den anderen. Die Groesse und der Grad der Armut ist eventuell unterscheidbar, aber kaum wahrzunehmen. Ebensowenig wie die Donau, die sich in sicheren Abstand von einem bis rund 10 km zu den Orten als Grenzfluss zu Bulgarien Richtung Osten schlängelt. In jedem Ort findet das Leben auf der Straße statt, ich gruesse meinem Gefühl nach auch immer wieder die gleichen Leute. Zum Teil gibt es gepflegte Häuser, von denen der Grossteil eher herunter gekommen ist, manche sind aber doch zum Erschaudern. Es gibt in jedem Ort eine Straße, die asphaltiert ist, wenn überhaupt. Der Rest ist Erde, wie auch die Gehsteige. Heute muss ich erwähnen, waren die gefahrenen Straßen aber zum Großteil in passablen Zustand, wie es heute auch den Anschein hatte, dass an Sonntagen bei vielen Häusern alles ein wenig rausgeputzt wurde. Ich konnte Frauen dabei beobachten, wie sie mit Strohbesen die aus Erde bestehenden Gehsteige und Innenhöfe ihrer Häuser kehrten und vom Laub befreiten.

Auch wurde ich heute Zeuge einer Alt-Herren-Big Band bei einem Sonntagsmarkt, Jugendlicher, die ein Zelt offensichtlich für ein Fest aufbauten, eines Trauerzugs auf einem no-na Pferdewagen mit offenen Sarg, und sowieso vermehrter Pferdewägen auf der Strasse aber, was mich wundert, keiner Solo-Reiter. Mit stolzen Cavalleros würde ich an den Sonntagen rechnen, dann und mit den vielen bunten Häusern, und heute auch bunten Gehsteigen, wäre neben Armenhaus auch die Bezeichnung Mexiko Europa's wohl gerechtfertigt - meine Annahme, ich war noch nicht in Mexiko.

Der erste Kilometer am Morgen war jedoch bezeichnend für die Situation der Menschen hier. Gleich nach dem Stadtende von Calafat treffe ich auf eine Huettensiedlung, die an die Favelas oder Townships erinnert, und gleich darauf fahre ich neben riesigen, geschlossenen Fabriken vorbei, bei denen nicht nur die Fenster, sondern auch Ziegelmauern zwischen den Stehern fehlen. Offensichtlich wurde hier das verwertbare einfach abgetragen. Beeindruckt von diesen Szenen geht's auf einer nagelneuen Straße mitten durch eine inoffizielle Mülldeponie, wo sich neben den üblichen Hunden sogar freilaufende Schweine tummeln. Meiner bescheidenen Ansicht nach, ist das eines der Hauptprobleme dieses Landes, wo auf jeden Fall geholfen werden sollte. Denn mit einer funktionierenden Müllverwertung (naja, die ist ja teilweise gegeben) bzw. Müllabfuhr und -vernichtung, würde es einerseits die streunenden Köter nicht geben, anderseits die Lebensqualität verbessern und damit einen Schritt Richtung lebenswerter Umwelt machen.

Dass das Land dorthin noch lange brauchen wird, bestätigt mein Gesprächspartner in der Pause. Obwohl ich 30 Minuten nur Bahnhof verstanden habe, habe ich folgendes sofort mir Kopfschütteln akzeptieren müssen. Auf der Suche nach einen Abladeplatz für die Plastikverpackung meiner köstlichen Roulade, hat er sie einfach genommen und mit den Worten, wir sind in Rumänien, auf den Erdboden vor dem Lokal geworfen.

Mein persönliches Problem heute war nach der Pause aber der starke Gegenwind, der mir trotz der fast durchwegs flachen Etappe das Leben schwer machte. Ich muss sagen, ich spür meine Knochen nach nun 2/3 der Reise schon ziemlich.


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