Freitag, Oktober 21

Die Geschichten, die Ängste und die wahren Erlebnisse aus 48 h Rumänien

Viel habe ich gelesen über die aggressiven, freilaufenden Hunde in Rumänien, die man nur mit Pfefferspray bändigen könnte, und über das vorsichtig ausgedrückt, bettelnde fahrende Volk. Dazu kamen die Informationen von einem Kaffeebesitzer in Drobeta, der in einem sehr interessanten Gespräch auf meine Bitte um Tipps,
mir so viel aussagekräftiges, wie MAXIMUM DISKRETION, MAXIMUM SECURITAS mit auf den Weg gegeben hat. Das Gespräch, in einem Kauderwelsch aus Sprachen, dass sich eventuell ein wenig mit Esperanto vergleichen lässt, hat mir doch einen kleinen Einblick und einen Schnellsiederkurs in "Richtiges Verhalten in Rumänien" gegeben. Also, das Hauptaugenmerk liegt auf Sicherheit und Diskretion, womit er meinte, niemals Geld öffentlich zeigen, keinen Augenkontakt ausser im Gespräch, Achtung bei Jugendlichen, denn die hätten keine Kultur, und ja nicht dem Versuch erliegen, einen Beamten zu bestechen, denn das ist im Land der MAXIMUM KORRUPTION verpönt!

Und heute morgen traf ich Tibi, der freundliche, deutschsprechende junge Mann, der mir beim rumänischen Luftpumpensystem der OMV Romania geholfen hat und danach beim Frühstückskaffee abermals vor den Hunden gewarnt hat und überraschenderweise auf Kinder hingewiesene hat, die anscheinend mit Steinen nach einem werfen.

So, gerüstet mit gehörigem Respekt und ein bisschen Schiss vor dem ambitionierten Tagesprogramm von 140 km bis Calafat, starte ich früh um 9 Uhr. Den ersten Fotostopp mache ich erst nach eineinhalb Stunden, da ich bei vielen Hunden in den Orten einfach nicht stehen bleiben wollte. Nachdem ich versucht habe mich in die Hunde hineinzuversetzen, habe ich eine doch recht einfache, und dann erwiesen recht erfolgreiche Strategie entwickelt: zügig auf der anderen Straßenseite vorbeifahren, denn sie schützen ja nur ihr Revier! Taktisch umgesetzt funkt das natürlich nur sensationell in den vielen ruhigen, verlassenen Orten in denen ich heute durchgefahrenen bin, aber nicht auf verkehrsbedingt doch stressigen Gebieten, weshalb ich dann 2 mal doch in Städten von Hunden umzingelt war und einmal nur durch ein lautes Hupen eines Autofahrers gerettet wurde.

Den Rest des Tages muss ich einordnen in die Kategorie UNFASSBAR, einerseits der kargen Schönheit der rumänischen Landschaft wegen, andererseits wegen den teilweise unglaublich, ärmlichen Verhältnissen in den Orten am Rande der Zivilisation, und wegen des Verhaltens der Menschen am Weg. Ich bin sowohl auf schlecht befahrbaren offiziellen Straßen gefahren, die eigentlich unbefestigte Wege sind und eventuell früher Straßen waren (teilweise Kopfsteinpflaster lassen es vermuten), als auch auf perfekten, neu asphaltierten Straßen, wo ich bisher am Schnellsten überhaupt auf der gesamten Reise unterwegs war! Von unheimlichen Waldstrecken bis hin zu immer gleichen Abläufen in den Orten, wo zuwinkende Menschen keine Seltenheit sind.

Alle Menschen, meist die Alten vor ihren Häusern sitzend, antworten ebenfalls freundlich auf mein Buna Ziua - Guten Tag. Die Häuser sind - ja ich habe lange überlegt, aber mir fällt leider nur ein Wort ein, welches ich eigentlich nie benutze - irgendwie entzückend, reizend. Die meisten sind bunt und haben Säulen, sofern neu renoviert. Man merkt, dass auch die Häuser in allen Orten schon bessere Zeiten erlebt haben. Die überwiegende Mehrheit der Häuser sind ebenso in desolaten Zustand, wie die vielen, aufgelassenen Fabriken, Lagerhallen, Wirtschaftsruinen oder was auch immer. Auf den Feldern sieht man Menschen vereinzelt mit ihren Pferde- oder Eselsfuhrwerken arbeiten. Immer wieder grasen Kühe, Pferde, Schafe und Ziegen auf den Wiesen, ohne einen Zaun von der Strasse getrennt. Menschen, die offensichtlich die letzten Reste nach der Ernte sammeln und Frauen die in Wasserstellen Wäsche waschen sind keine Seltenheit, sowie Männer die ihren Frauen beim Holzhacken oder ähnlichen Tätigkeiten rauchend zuschauen! Auch stolz galoppierende Pferdefuhrwerke sieht man auf den Straßen, aber entgegen der Beschreibungen haben mittlerweile Autos schon gefühlsmäßig die Mehrheit erreicht.

Nachmittags kommen mir viele Kinder in Gruppen mangels Verkehr mitten auf der Straße laufend entgegen und wollen dann mit mir abklatschen. Sehr gefährlich, ist mir gleich bewusst geworden, so wie generell eine Ansammlung von Kids immer gefährlich ist, deshalb nicht stehen bleiben
- man wird umzingelt!

Auch sonst bin ich eher nur von Jugendlichen blöd angemacht worden und zum Glück nur einmal von einem Kind mit Brot!!!! beworfen worden, wobei ich befürchte, er hatte grade nix anderes zur Hand. Der Hintergrund der Aktion ist mir rätselhaft.

Ein Tag mit soviel Eindrücken, dass ich fast den netten Rumänen aus Hoffenheim bei der Mittagspause vergessen habe, der mich zu sich nachhause einladen wollte. Ich habe aus vielerlei Gründen dankend abgelehnt habe, damit ich es nach Calafat schaffe.

Mit dem langem Radtag habe ich heute unzählige HEARTBEATS erradelt, und ich hoffe, dass der Buttonverkauf im Kulmland damit auch mithalten kann, und freue mich auf erste Meldungen aus Pischelsdorf. Jedenfalls bin ich von den Erlebnissen hier überwältigt und frage mich, ob mich nach 48 h eigentlich noch etwas in diesem mir doch noch fremden Land überraschen kann, oder ob die Zeitreise morgen weiter geht.

3 Kommentare:

  1. Hey, Gregor !! Ich hab auch immer Respekt vor solchen Hunden! Aber du packst das! Deine Eindrücke die du hier beschreibst, lässt mich mit dir mitradeln.. :) Pass auf dich auf, lass dich nicht übers Knie legen! Rumänien ist anscheinend das europäische Thailand. ;)

    Bussl dein Fan Lisa

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  2. das häuschen am bild ist ja wirklich entzückend, das perfekte wort. ich bekomm richtig angst, wenn du von den hunden erzählst, wenn dir die in die speichen springen, na servas.
    du bist wirklich mutig, ich hab auch einen namen für dich: "brave man biking"!
    freu mich schon dich bald wiederzusehen, clara

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  3. zum glück bin ich ja nie übers knie gelegt worden. erst jetzt habe ich im junk-folder die kommentare bekommen, deshalb hier sorry für meine späte reaktion. clarita, danke ;) jetzt bin ich verlegen... brave man biking, buuhhh!

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