Dienstag, November 1

Der perfekte Tag zum Genießen

Den gestrigen Tag konnte ich wirklich geniessen, obwohl ich es überhaupt nicht erwartet habe. Die Ausgangssituation war nicht sehr rosig, ich hatte ja zwei mühsame und harte Tage hinter mir seit ich von Silistra gestartet bin. Der hügelige Verlauf auf der rechten Donauuferseite hat mir zugesetzt, und ich wusste nicht, was mich auf der linken Seite ab Harsova erwarten wird. Da ich hier, wie auf meinem Weg entlang der Raab durch Ungarn, nicht genau wusste wie der Weg aussehen wird, und ich nicht mal wusste, wie weit die nächste Unterkunftsmöglichkeit weg sein wird, da es ja auch erstmals in der Nacht Frost hatte. Darauf eingestellt, habe ich mir in den letzten Tagen bei der Routenplanung den laut Strassenkarte einfachsten Weg entlang der Strassen zurecht gelegt und bin möglichst früh gestartet, um die 125 Kilometer bis Braila bis 17 Uhr spätestens zu schaffen. Die Zeitumstellung bringt nun um 17 Uhr Dunkelheit mit sich. Die Wirtin des Motels hat mir schon am Vorabend in italienischen Wörtern verständlich machen wollen, dass meine geplante Abkürzung, die ich auf den Satellitenfotos entdeckt haben wollte, nicht ohne einheimische Hilfe möglich wäre, und ich solle die E60 entlang fahren. Ich dachte mir, dass es aber einen Versuch wer sei.

Am Morgen habe ich dann schnell die Mautstelle der letzten Donaubrücke erreicht und ich werde freundlicherweise als Radfahrer durchgelassen, denn einen Preis für Radfahrer gab es auf der Liste nicht. Nach der schwierigen Überfahrt auf dem als Baustelle schwer passierbaren Gehweg, finde ich relativ schnell bei Giurgeni den noch asphaltierten Weg zu meiner Abkürzung, die dann in sehr grobe Kopfsteinpflaster übergeht. Ich dachte mir, wer wagt, der auch gewinnt und entscheide mich hier weiter zu fahren, als den 25 km längeren Umweg in massiven Verkehr auf der Hauptstrasse zu folgen. Nach 2 km endet der Weg in einen Betonweg bei einer Siedlung namens Rachitoasa und wieder entscheide ich mich dem nun vorhandenen Dammweg zu folgen, wo ich nach kurzer Zeit einen Einheimischen treffe, der mir bestätigt, dass der festgefahrene Weg Richtung Braila führt. Die Donau zu meiner rechten und mit gutem Tritt auf einem von Pferdewägen ausgefahrenem Weg verfolge ich alleine ein Frachtschiff, welches auch nicht schneller war - wirklich!

Da kam nun ein breites Lächeln in mein Gesicht, und ich habe mich zurückerinnert an die schönen Dammwege in Ungarn, aber auch an die mühsamen natürlich. Da der Weg aber nie schlechter wurde, die Sonne an diesem wunderschönen Herbsttag schien und ich der einzige Mensch auf den nächsten 20 km bis zur nächsten Strassenkreuzung war, habe ich den Weg einfach nur genossen. Auch der durch mich erschreckte, kurz bellende Hund, der einen fest schlafenden Mann am Weg kurz nach der Siedlung bewacht hat, konnte mich nicht beirren. Ein wahrer Traum und möglicherweise der Lohn der vielen Mühen im letzten Monat.

Mit dieser Abkürzung kam ich natürlich auch viel schneller voran und ich erreichte nach 25 km bereits den Ort, den ich auf der Hauptstrasse erst nach 50 km erreicht hätte. Von da an waren die Wege und Strassen durch die kleinen Dörfer durchwegs gut ausgebaut, und ich konnte schon daran denken, Braila doch links liegen zu lassen und noch 20 km weiter bis Galati zu fahren, wo ich am dann ein letztes Mal die Donau mit einer Fähre queren kann und nur mehr eine Etappe bis Tulcea am Plan stehen würde.

Der Rest der Fahrt war einfach nur zum Geniessen. Die Dörfer sind nicht viel anders als im Süden, aber die Menschen registrieren einen Radfahrer anders. Die Kinder schauen nur mit grossen Augen und grüßen nicht mehr mit lautem Hello oder Olá, die Erwachsenen sind auch zurückhaltend und staunen merklich. Irgendwie hatte ich das Gefühl, dass Radfahrer hier nicht so oft durchkommen, wie auf der südlichen Route, wo sich die Menschen bereits an die verrückten Touristen am Bicicletta gewöhnt haben. Auch keine Jugendlichen, die mich anmotzen. Einzig ein Mann, der irgendetwas laut schreiend, und mit auf mich zeigenden, ausgestrecktem Zeigefinger, einem anderen Mann über mich mitgeteilt hat. Auch das stört nicht an diesem perfekten Radtag auf meiner Reise. Glücklich und entspannt sinke ich nach den gemachten Übungen aufs Bett in einer Sportschule, die ich aufgrund der freundlichen und Englisch sprechenden Polizisten in der 300.000 Einwohnerstadt Galati sofort gefunden habe.

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