Donnerstag, November 10

42 h mit dem Zug durch Osteuropa und zurück im Kulmland

Während die hügelige Gegend von Tulcea und Constanta vorbeizog, konnte ich mich erstmals während der ersten Zugfahrt entspannen. In diesem Moment fallen mir viele anstrengende Momente auf der Reise ein, und ich denke ich mir, dass ich auf keinen Fall nochmals diese Anstrengungen auf mich nehmen werde. Das war am Beginn der 42 h langen Reise und ist mittlerweile fast zwei Tage her. Wieder zurück in Pischelsdorf kann ich nun nun von langatmigen, aber durchaus spannenden Zugfahrten erzählen, und wie ich es doch nahezu konfliktfrei samt meinem Rad zumindest bis nach Österreich geschafft habe, bis ich spät nachts an der Grenze von meinem Vater abgeholt wurde. Das meine turbulente Reise in Bruck an der Leitha endet, hätte ich eigentlich nicht gedacht.

Dienstag früh morgens habe ich in Sulina ernsthaft verschlafen und bin erst um 20 nach 6 Uhr aufgewacht, nur durch die Schritte der in der Nacht angekommenen Fährmitarbeiter, die sich wieder auf den Weg zur Fähre machten, um pünktlich um 7 Uhr abzufahren. Knapp aber doch schaffe ich es. Froh darüber, dass mir weitere 2 Tage Warten bis zur nächsten Fähre erspart blieben, schlafe ich nach einem kleinen Frühstück ungemütlich aber müde am Tisch auf meinem Handbag ein.

Der erste Weg in Tulcea führt mich sogleich zum Bahnhof, wo ich den Eingang nicht sehe und ich ungläubig vor einem Aussenhäuschen mit der Aufschrift des Bahnhofs stehe und mir denke, das Abenteuer beginnt jetzt nochmals von vorn. Nachdem ich die einzig möglichen 2. Klasse Tickets für mich gekauft habe, bekomme ich, während der 4 h Wartezeit auf einen der genau 4 Züge, die an diesem Tag in Tulcea ankommen oder abfahren, doch ein schlechtes Gefühl ob die Fahrradmitnahme wirklich klappen wird. Der Gedanke, eventuell das Bike in der 1. Klasse einfacher und sicherer mitzunehmen, hat sich erübrigt. Es war nur möglich ein Ticket für mich zu kaufen und das auch nur bis zur Grenze, denn es gibt keine internationale Kasse in Tulcea und ausserdem kann ich für die Nachtfahrt keine 1. Klasse oder Schlafwagen kaufen, da ich da, lt. Auskunft der freundlichen Damen am Schalter, in der 1. Klasse kein Bicicletta mitnehmen kann, wofür ich sowieso im Zug beim Schaffner zahlen muss. Das Wissen um die Fahrradmitnahme und die gängige Praxis ist aber mittlerweile im Gegensatz zu den im Internet von Bikeromania vorhandenen und am Vorabend zu der Problematik noch genau studierten Bericht zum Glück vorhanden, und beruhigt mich etwas. Im Gegensatz zu den auf den Webseiten der ÖBB und DB gezeigten Fahrpläne soll ich aber laut der Schalterdamen doch an einer anderen Stelle, und zwar in Arad umsteigen, da es dort eine internationale Kasse für Tickets nach Budapest gäbe.

Beim Einstieg sprechen mich dann zwei rumänische Hobby-Fischer aus Medgidia, die mich, anders als ich sie, wiedererkennen. Wir haben uns zweimal getroffen, einmal bei der Bootsfahrt mit Christian, wo sie mir einen Schnaps angeboten haben und einmal am Beginn des Weges von Sulina nach Sfanto Gheorghe, wo ich sie beim Friedhof nach dem Weg gefragt habe. So ein Zufall und witzig zugleich, jedenfalls erleichtert mir das gleich nicht nur den Einstieg auf den hohen Wagontreppen, sondern macht die Zugreise angenehmer. Ich begnüge mich beim Kartenspiel, der als Sicherheitsleuten im AKW Cernovoda tätigen Fischern mit einem im Gegensatz zu ihnen Englisch sprechenden Rumänen, mit der Zuschauerrolle im recht sauberen 6er Abteil und bewache immer wieder mein Rad im Zwischenraum der Wagons. Victor, einer der beiden Fischer, ladet mich fürs nächste Jahr gleich in sein Haus nach Sulina ein, falls ich wiederkomme. Er geht davon aus. Die Wartezeit von einer Stunde am Bahnhof Medgidia überbrücke ich mit einer Jause, Übungen zum Aufwärmen und einen netten Gespräch mit einem jungen Rumänen, der es gar nicht erwarten kann, wieder ins Ausland zu kommen und eventuell wieder wie im vergangenen Sommer in Dänemark zu arbeiten. Die ganze Rückfahrt über treffe ich ebenso interessante Menschen, wie auf meiner gesamten Reise bisher. Diese Begegnungen mit den Menschen machen die Reise erst einzigartig.

Die endlos erscheinende Fahrt von Medgidia bis Arad habe ich, trotz der unglaublichen Hitze der nicht regulierbaren Heizung im Abteil, gut überstanden. Einerseits durch einen kurzen Aufenthalt in Bukarest, der zwar eine Abwechslung war, aber völlig langweilig, da ich den Zug ja nicht verlassen habe, und andererseits ab Bukarest durch die Gesellschaft eines algerischen Arztes, der in Tunis lebt und seine studierende Tochter in Arad besucht. Nachdem die Sonne aufging, machen sich der Algerier und der Österreicher Gedanken zu den Bildern, die wir ausserhalb der langsam vorbei gleitenden rumänischen Landschaft in den Karpaten sehen. Wieder sehe ich brachliegenden Nutzflächen und heruntergekommenen Industrieanlagen in teilweise schockierenden Zuständen, die ich ja schon auf der Radreise wahrgenommen habe und mich jetzt im Schutze des Zuges fast zu Tränen rühren. Die sich mir stellende Frage, ob das Leben vor der Wende besser war, lasse ich hier mal offen.

Die Information der Info-Damen am Bahnhof Tulcea mit dem Umstieg in Arad hat sich dann als "Ente" herausgestellt, denn womit ich nach der absolut pünktlichen Abfahrt aus Tulcea und aus Medgidia nicht gerechnet habe, ist das ein Zug auch Verspätung haben kann. Nach 14 h hatten wir in Arad durch viele Stopps bereits eineinhalb Stunden Verspätung, die meine gesamte Reiseplanung ziemlich über den Haufen geworfen hat. Wäre ich gemäß des Reisevorschlags der ÖBB Website umgestiegen, hätte ich zwar kein Ticket gehabt (Kauf im Zug wäre kein Problem gewesen), aber ich hätte den vorgesehenen Zug nach Budapest nicht versäumt und damit auch nicht die einzig mögliche Anschlussverbindung direkt nach Graz über die Raabtalbahn. Auch wäre das ein schöner Abschluss der Reise gewesen, den gleichen Weg zurück zu fahren, den ich mit dem Rad entlang der Raab gefahren bin. Daran habe ich schon gedacht, als ich die Raabtalbahn auf meinem Weg gesehen habe. Die Mitnahme des Bikes war bis dahin fast problemlos, ausser die schwierigen Einstiege über steile Aufgänge und Übergänge zu anderen Gleisen, die ich aus Sicherheitsgründen dann doch nicht so wie die Rumänen über die Gleisanlage quere.

Auf der Fahrt treffe ich Katharina, eine Schweizerin die mit ihrer Familie eine Biofarm in der Nähe von Arad führt. An dieser Stelle möchte ich mich nochmals für die Einblicke bedanken und Hochachtung und Respekt für den mutigen Schritt Auszuwandern entgegenbringen, und vor allem zu ihrer, mit grossen Engagement gelebten, pfluglosen Landwirtschaft und ihrem Leben in den wunderschönen Karpaten gratulieren (www.biofarmland.com). Im Gegensatz zu vielen Familien haben sie natürlich fliessendes Wasser und die Müllabfuhr kommt regelmäßig, weil sie ja auch bezahlen. Katharina konnte mir dann endlich auch die Frage nach dem Müllsystem beantworten, die mich, wie alle Blogleser mitbekommen haben, laufend beschäftigt hat. Das System soll mit Unterstützung der EU aufgebaut werden, denn bisher war es so, dass alles im Garten verbrannt wurde, soweit möglich, der Rest in eine Grube am Ortsrand geworfen wurde. Auch die Meinung von Katharina zur heutigen Lebensqualität in Rumänien hat meine Frage zum Vergleich vor der Wende beantwortet. Früher war es teilweise für die Menschen einfacher und je nach Sichtweise besser, aber Leute mit "Pep", die ihre zusätzliche Wertschöpfung im Sozialismus abgeben mussten, gehen daran zu Grunde und dies mache insgesamt eine Gesellschaft kaputt.

Nach Arad und dem Erreichen der ungarischen Grenze, wobei die Fahrt durch den Korridor an der Schengengrenze mit den Grenzkontrollen solange dauert, dass man die durch den Zeitunterschied gewonnene Stunde gegenüber Rumanien sofort wieder verliert. Die neue Routenplanung sah dann vor, den Zug um 17.10 in Budapest zu erreichen, obwohl der Schaffner sagt, das erst der Zug "Wiener Walzer" um 19.10 Uhr Fahrräder mitnehme. Der Versuch um 17.10 Uhr einzusteigen scheitert kläglich am Schaffner, womit mein Spießroutenlauf durch den Bahnhof begonnen hat, wo ich auf äußerst unfreundliche Auskunftsmitarbeiter gestossen bin. Erst wurden mir nur Züge für den nächsten Tag in Aussicht gestellt. Auch die widersprüchliche Information eines Zugführers und mein Hinweis auf die falsche Information auf der ÖBB Website, dass die Fahrradmitnahme begrenzt möglich sei, halfen zuerst nicht wirklich weiter, worauf mir jeder Mitarbeiter am Bahnhof mir die kalte Schulter zu zeigen schien. Erst nach 45 Minuten Diskussion und mein offensichtlich doch beeindruckendes Telefonat mit der ÖBB machten den Zugchef gesprächsbereit, und er erlaubte die Mitnahme meines Fahrrades als Gepäckstück, wenn ich es in Einzelteile zerlege, da Fahrräder nur in Sommermonaten befördert würden und die Info auf der Website einfach falsch sei. Er drückt ein Auge zu und ich montiere einfach das Vorderrad ab und stelle Merida als "Gepäckstück" in den Zwischenraum hinter der Lok. Geschafft, trotz schon aufkommender Skepsis werde ich es zumindest bis nach Österreich schaffen, da mir der ungarische Zugchef nur ein Ticket bis zur Grenze ausstellen kann. Um mir weitere Diskussionen mit dem österreichischen Zugteam zu ersparen, nehme ich gerne das Angebot meines Vaters dankend an, mich am ersten Stopp in Bruck an der Leitha abzuholen. Das meine Reise gerade hier nach endlosen Zugstunden endet, hätte ich noch Stunden zuvor nicht gedacht. Der doch erfolgreiche und abenteuerliche Stil auf gut Glück mitsamt dem Fahrrad nach Österreich zurück zu kommen, entfacht ein lautes Lachen in mir, über den doch ungewöhnlichen Ablauf und der insgesamt erstaunlich niedrigen Kosten der Rückreise. Müde und überglücklich bin ich dann gegen Mitternacht in Pischelsdorf angekommen. Nach der Reise ist vor der Präsentation, weshalb es ab sofort wieder viel zu tun gibt. Mehr dazu und zu Heartbeat gibt es regelmäßig weiter hier im Blog.

Detail der Rückreise mit Fahrrad für Interessierte

Sulina - Tulcea mit Schiff 45 Lei = 11 EUR
Tulcea - Medgidia - Arad mit Zug 107 + 20 + 25 + 5 Lei fürs Bike bis zur Grenze = 40 EUR
Arad - Budapest 105 Lei + 10 Euro fürs Bike bis Budapest = 36 EUR
Budapest - Grenze Österreich mit Fahrrad EUR 39

2 Kommentare:

  1. Hurra,

    Grexi is back.

    Freu mich schon auf ein Wiedersehen.

    LG
    Joachim

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  2. Danke! Heute war fast keine Zeit, denn zurück zu kommen, ist fast stressiger als zu biken. Freu mich auch, wir telefonieren morgen mal!

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